Am 21. September 1974 Stadtrechte an die Gemeinde Pohlheim verliehen
„Wir wissen, dass uns die Verleihung der Bezeichnung ‚Stadt‘ gewisse Verpflichtungen auferlegt und das äußere Bild noch mehr zu verbessern ist.“ Mit diesen Worten wird Bürgermeister Karl Brückel zitiert, als die damalige Gemeinde Pohlheim im Rahmen einer öffentlichen Sitzung der Gemeindevertretung im Gasthaus „Goldener Stern“ am 21. September 1974 vom hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald die Urkunde zur Verleihung der Stadtrechte ausgehändigt bekommt.
Neues Wappen wird 1975 offiziell eingeführt
Das neue Wappen wartete allerdings noch auf seine offizielle Einführung. Diese erfolgte erst im Mai 1975, da noch über eine Stadtflagge zu entscheiden war. „Auf dieses neue Wappen sollten vor allem die vielen Sänger dieser Stadt stolz sein, weil darin das Symbol des Gesangs verewigt ist“, verwies Bürgermeister Brückel auf die Musiknoten, die im Wappen neben einem Eichenzweig und einem Limesturm Verwendung fanden. Sie symbolisieren die jahrzehntelange Bedeutung des Chorgesangs in der „Singenden Stadt“, wie Pohlheim auch beiläufig bezeichnet wurde.
Zeitgleich Kreishallenbad in Pohlheim seiner Bestimmung übergeben
Zeitgleich mit der Verleihung der Stadtrechte wurde ebenfalls am 21. September 1974 das Kreishallenbad in Pohlheim seiner Bestimmung übergeben. „Wir meinen, dass damit doch für unsere Stadt mit an erster Stelle eine Einrichtung geschaffen worden ist, die einen besonderen Stellenwert innerhalb unserer Infrastruktur hat und auch sicherlich für die Weiterentwicklung unserer Stadt von besonderer Bedeutung sein wird“, sagte Karl Brückel damals. Der Landkreis Gießen stieg allerdings 1995 aus der Finanzierung des Bades aus. Einer drohenden Schließung kamen die Stadt Pohlheim und die Nachbargemeinde Fernwald mit der Bildung des Zweckverbandes Hallenbad Pohlheim zuvor, die seitdem mit hohen Zuschüssen den Weiterbetrieb sichern.
„Bedürfnis und Wirtschaftlichkeit“ gegeneinander abzuwiegen
Ende Januar 1979 geht der erste Pohlheimer Bürgermeister Karl Brückel (SPD) in den Ruhestand. Er zieht Bilanz und stellt fest, dass weit mehr getan worden sei, als im „Grenzänderungs- und Auseinandersetzungsvertrag“ festgeschrieben war, der im Jahr 1970 die Grundlage für den Zusammenschluss der sechs ehemals selbständigen Gemeinden bildete. Einschränkend fügt er hinzu: Beim Vergleich der infrastrukturellen Maßnahmen zwischen den einzelnen Stadtteilen müssten „durchaus auch Bedürfnis und Wirtschaftlichkeit gegeneinander abgewogen werden“ und es müsse „Einsicht bestehen, dass nicht alle und dieselben Maßnahmen in allen Stadtteilen vorhanden sein können“. Brückel schlussfolgert: „Die sechs Stadtteile Pohlheims bilden schließlich ein einheitliches Gemeinwesen, sodass, wie das ja auch bei der Gesamtschule und dem Hallenbad der Fall ist, die Nutzung dieser Einrichtungen durch alle Bürger Pohlheims selbstverständlich sein muss.“ Nachfolger Brückels wird am 1. Februar 1979 sein Schwiegersohn Hermann Georg, der der CDU angehört.
„Wir-Gefühl“ hat sich unter Pohlheimern eingestellt
Georg wiederum resümiert 2001, also nach 20 Jahren Pohlheim: „Die Großgemeinde hat sich in zwei Jahrzehnten zu einer lebensfähigen, funktionierenden kommunalen Einheit entwickelt. Wenn auch die Bewohner der einzelnen Stadtteile nach wie vor die überlieferten gewachsenen Strukturen traditionsbewusst zu pflegen und zu erhalten bedacht sind, so sind doch in keinem Stadtteil nennenswerte Ressentiments gegenüber der Großgemeinde zu erkennen. Im Gegenteil hat sich ein erfreuliches ‚Wir-Gefühl‘ unter den Pohlheimern eingestellt.“ Im letzten Jahr seiner dritten Amtszeit erkrankt Georg schwer und kann sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Kurz vor dem Amtsantritt seines Nachfolgers Karl-Heinz-Schäfer (SPD) stirbt Georg Ende Januar 1997 im Alter von
59 Jahren.
Schäfer war im Herbst 1996 erstmals per Direktwahl zum neuen Bürgermeister Pohlheims gewählt worden. Nach drei Amtszeiten verzichtet er auf eine erneute Kandidatur für die Wahl im Herbst 2014. Nachfolger wird Udo Schöffmann (CDU), der sich gleich im ersten Wahlgang mit 56,4 Prozent der Stimmen durchsetzt. Bei seiner erneuten Kandidatur im Herbst 2020 unterliegt er allerdings Herausforderer Andreas Ruck (parteilos), der mit 61,75 Prozent Schöffmann ablöst und seit 1. Februar 2021 Bürgermeister in Pohlheim ist.
Kampf gegen Kreismülldeponie in Holzheim
Der Landkreis Gießen ist 1987 auf der Suche nach einer neuen Kreismülldeponie und nimmt Holzheim als Standort ins Visier. Dies stößt auf erbitterten
Widerstand. In Holzheim bildet sich eine überparteiliche Bürgerinitiative, die von Altbürgermeister Walter Georg Buß angeführt wird. Die Deponiepläne werden erst nach jahrelangem Kampf endgültig verworfen.
Städtebauliches Wachstum
Mitte der 1970er Jahre wird im Fortweg in Watzenborn-Steinberg kräftig gebaut. Die Adolf-Reichwein-Schule wird abschnittsweise erweitert und erhält zudem eine Großsporthalle. Die Grundschule zieht vom Ortskern in die ehemaligen Räumlichkeiten der Adolf-Reichwein-Schule in der Pestalozzistraße um. Die Stadtverwaltung wiederum übernimmt im Ortskern das Gebäude in der Ludwigstraße und peilt die Erweiterung der Volkshalle an.
Als markante Baumaßnahmen stehen unter anderem auch der Bau eines Feuerwehrgerätehauses im Fortweg, eines Bürgerhauses in Hausen und einer Großsporthalle in Holzheim auf dem Plan. Mit der neuen Mehrzweckhalle in Grüningen erfüllt die Stadt Pohlheim eine ihrer letzten Verpflichtungen, die die sechs ehemals selbständigen Gemeinden vor Zustandekommen der Großgemeinde füreinander eingegangen waren. Aber auch im weiteren Verlauf der Pohlheimer Stadtgeschichte werden umfangreiche Sanierungen an städtischen Gebäuden sowie die Ausweisung weiterer Wohn- und Gewerbeflächen für ein städtebauliches Wachstum sorgen. Der Gewerbeverein Pohlheim wird 1984 aus der Taufe gehoben und veranstaltet im Gründungsjahr seine erste Gewerbeschau mit 60 Ausstellern in der Volkshalle. Mit der Eröffnung des Nahversorgungszentrums Neue Mitte geht ein Großprojekt 2001 an den Start und wird in den Folgejahren durch ein Ärztezentrum Stück um Stück erweitert. In 2005 wird das neue Gemeinschaftszentrum Kulturelle Mitte in Holzheim eingeweiht und in 2006 die Klosterwaldhalle in Dorf-Güll fertiggestellt.
Ansiedlung eines Outlet-Centers platzt
Ende Oktober 2017 kündigt ein Investor Pläne für ein Outlet-Center im Garbenteicher Gewerbegebiet Ost an. In einem Bürgerentscheid im August 2018 spricht sich zwar eine Mehrheit gegen die Outlet-Pläne aus. Doch das Ergebnis reicht nicht, um die Pläne zu stoppen, weil sich 25 Prozent der Gesamtwählerschaft gegen das Outlet-Center hätte entscheiden müssen. Dieser Wert wird knapp verfehlt. Mitte 2019 erklären die Investoren das Outlet-Center in Garbenteich für gescheitert an. Grund dafür ist, dass Outlet-Center nur in Oberzentren zulässig sind, Pohlheim aber als Unterzentrum ausgewiesen ist.
Radiowettbewerb mobilisiert alle Stadtteile
In 1982 wird die umgebaute Volkshalle ihrer Bestimmung übergeben und ist jetzt technisch und räumlich für größere Veranstaltungen gerüstet. Das hr-Städtespiel „1:0 für meine Stadt“ stärkt 1982 und 1983 das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Pohlheimer Stadtteile in einem unterhaltsamen Radiowettbewerb gegen andere hessische Kommunen. Es bilden sich lange Warteschlangen an der Stadtverwaltung, um an Eintrittstickets zu kommen. Gemeinsam schaffen es die Pohlheimer bis ins Finale, wo sie allerdings knapp unterliegen. Bürgermeister Hermann Georg sieht es damals positiv: „Für mich war besonders erfreulich, dass offenbar alle den Kirchturm des eigenen Stadtteils außer Acht gelassen und nur mit der Gesamtgemeinde gebangt haben. Wie schön, wenn das oftmals auch bei anderen Gelegenheiten so wäre.“
Prominenz aus Klassik und Schlager in der „Singenden Stadt“
In den 1980er-Jahren unterstreichen Galakonzerte Watzenborn-Steinberger Gesangvereine mit hochkarätigen Künstlern den Ruf Pohlheims als „Singende Stadt“. Mit Rudolf Schock, Anneliese Rothenberger, René Kollo, Hermann Prey, Peter Schreier und der „Goldenen Stimme aus Prag“ Karel Gott treten bis zum Ende des Jahrzehnts eine Reihe Prominenter auf, die die Volkshalle in ein Mekka für Liebhaber von klassischer Musik und gehobenem Schlager verwandeln. Internationale Chortage des MGV Jugendfreund Watzenborn-Steinberg in den Jahren 1983, 1988 und 1993 bringen außerdem Gastchöre aus aller Welt in die „Singende Stadt“. Erstmals in 2009 findet auf der Mockswiese ein Wiesnfest statt. Es bringt Stars und Sternchen aus der Partyschlagerszene nach Pohlheim. Die Sause kommt derart gut an, dass sich das Veranstaltungsformat als zehntägiges Fest etabliert und jährlich bis zu 25.000 Besucher nach Pohlheim lockt.
Partnerschaften mit Admont, Strehla und Zirc
Pohlheim unterhält drei Partnerschaften. Die älteste davon besteht zur österreichischen Marktgemeinde Admont, die 1970 mit der damals noch selbstständigen Gemeinde Garbenteich eine Verbindung eingeht und 1974 auf die Großkommune ausgedehnt wird. Im Jahr 1990 folgen die Städtepartnerschaften mit Strehla und der ungarischen Stadt Zirc.