Ökumenischer Gottesdienst und Festakt in der Volkshalle
50 Jahre Stadtrechte Pohlheim: Dieses Jubiläum war Anlass für ein festliches Programm am Sonntag, 29. September, in der Volkshalle Watzenborn-Steinberg. Bereits am Vormittag hatten sich rund 500 Besucher eingefunden, um im Kreise vieler Pohlheimer Kirchengemeinden unter dem Motto „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie“ einen ökumenischen Gottesdienst zu feiern.
Im Mittelpunkt stand zunächst ein buntes Kreuz, das Leben, Vielfalt und Demokratie symbolisieren sollte. In Pohlheim seien viele Dörfer miteinander verbunden – auch Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Konfessionen. Im Gebet drückte sich der Wunsch für ein gutes Miteinander aus, aber auch die Bitte um einen gemeinsamen sorgsamen Umgang mit der Erde. Daher wurde parallel zum Geschehen auf der Bühne ein aufgeblasener Ballon in Form eines Globusses durch die Publikumsreihen weitergegeben. Musikalisch umrahmt wurde der Gottesdienst von Pohlheimer Grundschulklassen, einer vierköpfigen Band und einem aramäischen Chor.
Der 16-jährigen Polina Riedel war es vorbehalten, den Festakt nach der Mittagspause am Flügel mit einem Klavierstück zu eröffnen. Moderator Albert Mehl, der kurzfristig für den erkrankten Dirk Schäfer eingesprungen war, führte durch ein gut dreistündiges Programm mit Grußworten, Tanzdarbietungen und Gesang. Mit orientalischem Tanz begeisterten Aktive des Pohlheimer Vereins Alenya. Ebenfalls tänzerisch agierte die Hip-Hop-Gruppe des TV07 Watzenborn-Steinberg.
Bürgermeister Andreas Ruck begrüßte Delegationen aus den Partnerstädten Strehla und Zirc, seinen Amtsvorgänger Karl-Heinz-Schäfer, den ehemaligen Landrat Ernst Klingelhöfer sowie die beiden Pohlheimer Ehrenbürger Walter Damasky und Horst Biadala. Er hob die Entwicklung Pohlheims und die Vielfältigkeit des Vereinslebens hervor. Höhepunkte aus 50 Jahren Pohlheim hatte das Stadtarchiv im Foyer im Rahmen einer Ausstellung mit Dokumenten, Fotos und Zeitzeugen-Interviews zusammengestellt.
Neue Heimat für Menschen aus vielen Nationen
„Welchen Nutzen bringen Stadtrechte?“, fragte Stadtverordnetenvorsteherin Hiltrud Hofmann ins Publikum und zitierte eine Aussage des ehemaligen hessischen Innenministers und späteren Ministerpräsidenten Volker Bouffier aus dem Jahr 2002. Die Stadtrechte verbesserten nicht die Position der Gemeinde im kommunalen Finanzausgleich. „Die Stadtrechtsverleihung hat allerdings nach wie vor einen erheblichen kommunalpolitischen Stellenwert, da sie als eine Art ‚Verdienstmedaille‘ für beispielhafte gemeindliche Aufbauarbeit angesehen wird.“ Hinsichtlich der Entwicklung der Stadt ging Hofmann auf die rund Tausend Familien mit syrisch-orthodoxem Hintergrund ein, die im Kreis Gießen lebten, die meisten von ihnen in Pohlheim. Aber auch Menschen aus anderen Nationen hätten in der Stadt längst eine neue Heimat gefunden und viele die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Das spiegele sich auch in der kommunalpolitischen Beteiligung wider. Fast ein Viertel des Stadtparlaments bestehe aus Pohlheimern mit aramäischen Wurzeln.
Staatssekretär Martin Rößler vom Hessischen Innenministerium überbrachte die Glückwünsche der Landesregierung und unterstrich die vorbildliche Entwicklung der Großgemeinde seit Verleihung der Stadtrechte am 21. September 1974. Pohlheim habe eine zeitgemäße Daseinsvorsorge mit Kindergärten und Sporteinrichtungen und sei auch über den öffentlichen Nahverkehr gut erschlossen. Dank zahlreicher Vereine, Chöre, Städtepartnerschaften und regelmäßiger Feste gebe es ein lebhaftes Gemeindeleben.
Einen Blick zurück in die Zeit der Gebietsreform in den 1970er Jahren warf Landrätin Anita Schneider. Davon hätte auch Pohlheim profitiert, spielte sie auf die finanziellen Zuschüsse seitens des Landes für fusionierte Kommunen an. Die Identität mit dem eigenen Stadtteil und Pohlheim sei kein Widerspruch, sagte Schneider und hatte noch einen Ratschlag für die Großgemeinde parat: „Bleiben Sie Ihrem Wappen treu. Das Wappen zeigt auch Ihre Stärken!“
Unterhaltsamer Dialog über 50 Jahre Stadtgeschichte
Festrede einmal anders: Diesen Gedanken setzten der 78-jährige Günther Dickel und die 13-jährige Klara Jung aus Watzenborn-Steinberg in unterhaltsamer Dialogform in die Tat um. Sie blickten in Frage-Antwort-Manier auf die Anfänge von Pohlheim zurück, glossierten das „Kirchturmdenken“ der ehemals eigenständigen Stadtteile und gaben manche Kuriositäten zum Besten – etwa den Umstand, dass das Sterben in den drei Dörfern nördlich des Limes damals deutlich teurer war als in den drei südlichen Dörfern. Der Zusammenschluss zu Pohlheim sorgte infrastrukturell für einen Schub, beispielsweise bei der Wasserversorgung aller Stadtteile, dem Bau neuer Bürgerhäuser und Kindergärten oder der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten. Ein besonderes Beispiel bürgerlichen Engagements sei der Protest der Holzheimer gegen eine Mülldeponie gewesen. Wie gut das Zusammenspiel von Pohlheimern funktioniere, zeige sich unter anderem an der HSG Pohlheim, den Feuerwehren oder dem Partnerschaftsverein.
Ihre Wertschätzung einer mittlerweile fast 35-jährigen Partnerschaft übermittelten in Grußworten die Bürgermeister Jörg Jeromin aus Strehla und István Kacsala aus Zirc. Sie trugen sich gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Partnerschaftsvereins Pohlheim, Jakob Ernst Kandel, ins Goldene Buch der Stadt Pohlheim ein. Musik des Duos „Sometimes“ mit Eva Saarbourg und Martina Mulch-Leidich beendete eine rundum gelungene Jubiläumsfeier.