Schon fast 500 Freiwillige beteiligt im Ersthelfer-Projekt des Landkreises Gießen

Ein Mensch bricht zusammen, ist nicht mehr ansprechbar. In einem solchen Fall zählt jede Sekunde. Denn je eher Erste Hilfe bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes geleistet wird, desto größer ist die Überlebenschance für die leblose Person. Möglichst rasch und möglichst überall im Landkreis Gießen freiwillige Ersthelferinnen und Ersthelfer zum Einsatz bringen, wo sie benötigt werden – darum geht es im Projekt "Katretter".

Nach dem Start vor rund fünf Jahren und einer durch die Corona-Pandemie bedingten mehr als dreijährigen Zwangspause sind mittlerweile fast 500 Freiwillige registriert. Sie alle haben die "Katretter"-App auf dem Handy. Geht bei der Leitstelle des Landkreises Gießen ein Notruf ein, kann diese über die App einen "Katretter" alarmieren, der sich in der Nähe befindet. Noch während der Rettungsdienst unterwegs ist, können "Katretter" mit der Reanimation beginnen.

Im Jahr 2024 haben "Katretter" 635 Mal Erste Hilfe geleistet

„Die 'Katretter' im Landkreis Gießen haben sich als Ergänzung des Rettungsdienstes bewährt. Mit den registrierten 'Katrettern' können wir freiwilliges Engagement von Ersthelfern bündeln und gezielt strukturieren“, sagt Landrätin Anita Schneider. 635 Mal haben im vergangenen Jahr "Katretter" im Landkreis Gießen Erste Hilfe vor Ort geleistet. Das sind gut 70 Prozent aller Fälle, in denen "Katretter" alarmiert wurden.

Alarmiert wird ein "Katretter" durch die Leitstelle immer dann, wenn er sich in einem Radius von zwei Kilometern um den Notfallort aufhält - im Stadtgebiet Gießen in einem Radius von einem Kilometer. Ob ein "Katretter" einen Einsatz annimmt, ist für ihn freiwillig. „Jeder kann von einer Sekunde auf die andere damit konfrontiert sein, Erste Hilfe leisten zu müssen“, sagt Dr. Nils Lenz, gemeinsam mit Dr. Florian Martens Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Landkreises Gießen. „Für viele Menschen liegt der eigene Erste-Hilfe-Kurs lange zurück oder es besteht Angst, etwas Falsches zu tun. Dabei gibt es eigentlich nur einen Fehler - nämlich gar nichts zu tun.“

System CorPatch unterstützt Ersthelfer bei Reanimation

Für das wachsende Team der "Katretter" wird der Landkreis Gießen nun in einem weiteren Schritt und zunächst als Pilotprojekt eine Ergänzung einführen, die Ersthelfer bei der Reanimation automatisch unterstützt und anleitet. Dazu dient das Feedbacksystem CorPatch. Bestimmte "Katretter" werden freiwillig damit ausgestattet. Treffen sie bei einer leblosen Person ein, kleben sie einen Sensor – etwa so groß wie eine Streichholzschachtel – auf deren Brust. Dieser verbindet sich automatisch mit einer App auf dem Handy. Während der Herzdruckmassage misst CorPatch Druckfrequenz, Tiefe und Entlastung und gibt dem Ersthelfer Hinweise.

Den Impuls für die Einführung von CorPatch als Pilotprojekt vor Ort gab Björn Kohlhaussen, Fachbereichsleiter Bildung des Landesverbands Hessen/Rheinland-Pfalz/Saar der Johanniter-Unfall-Hilfe nach einer Vorstellung des Systems in Leipzig. Im Landkreis Gießen wird nun eine Evaluation erfolgen: Privatdozent Dr. Valesco Mann, Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Agaplesion Evangelisches Krankenhaus Mittelhessen in Gießen, wird den Einsatz von CorPatch im Rahmen des "Katretter"-Projekts wissenschaftlich begleiten.

Dabei geht es darum, in welchem Maß die technische Ergänzung Qualität und Erfolg der Wiederbelebungen beeinflusst. Der Landkreis Gießen und das Agaplesion Evangelisches Krankenhaus Mittelhessen haben für diesen Zweck eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. „Auch erfahrene Ersthelfer sind an einem Notfallort in einer Stress-Situation“, erklärt Dr. Mann. „Feedbacksysteme wie CorPatch können insbesondere in einer solchen Situation eine Unterstützung sein, um rasch qualitativ hochwertige und effektive Maßnahmen bei der Reanimation einzuleiten.“

Mitmachen beim "Katretter"-Projekt

"Katretter" werden kann fast jeder ab 18 Jahren. Voraussetzung ist ein Erste-Hilfe-Kurs, der bei der Anmeldung nicht länger als ein Jahr zurückliegt. Die Teilnahme an der Fortbildung kann entfallen, wenn der Ersthelfer oder die Ersthelferin über entsprechende Berufserfahrung verfügt und zum Beispiel als Arzt, im Rettungsdienst oder als medizinisches Fachpersonal arbeitet. Informationen und den Link zur Registrierung gibt es unter lkgi.de/rettungsdienst/#katretter oder per E-Mail an katretter@lkgi.de