Ölgemälde von Georg Häuser war jahrzehntelang in Leihgestern ausgestellt

Nur ein Katzensprung trennte sie von ihrem eigentlichen Zuhause. Und doch war sie mehrere Jahrzehnte im Nachbarort „einquartiert“. Die Rede ist von Maria Häuser aus Watzenborn-Steinberg.  Ein Mädchen, das von 1898 bis 1911 lebte. Ihr Vater Georg Häuser XIV. (1874 bis 1962) war Wirt des Gasthauses „Zur Krone“ und hatte - vermutlich in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts - als Hobbymaler ein Ölgemälde von ihr angefertigt. Der Titel: „Mädchen in Watzenborner Tracht“.

Wann Vater Georg genau das Ölbild anfertigte?  Auf dem Gemälde findet sich in der oberen rechten Ecke ein Datum, das auf das Jahr 1901 hindeuten könnte. Da wäre das Mädchen allerdings erst drei Jahre alt gewesen. Das ist eher unwahrscheinlich. Die letzte Ziffer des Datums ist schwer lesbar und könnte auch auf einen späteren Zeitpunkt hindeuten. Eine andere Variante ist, dass Georg Häuser das Gemälde erst nach dem Tod des Mädchens anhand einer Fotografie angefertigt und die Entstehung rückdatiert hat.

Als Georg Heß in den frühen 1950er Jahren im benachbarten Leihgestern das Hüttenberger Heimatmuseum aus der Taufe hob, hatte er jedenfalls auf irgendeine Weise als Exponat auch dieses Ölbild vom Trachtenmädchen aus dem Nachbarort ergattert. Nur einen „Steinwurf“ vom Heimatort entfernt, war es bis zuletzt nicht nur wegen seiner Größe ein optischer Blickfang. Nun ist das Gemälde allerdings wieder in Watzenborn-Steinberg und soll künftig im dortigen Heimatmuseum ausgestellt werden.

"Bild findet zu seinen Wurzeln zurück"

Die Rückführung geht auf eine Initiative von Dieter Schäfer zurück. Er ist Vorsitzender der Ortsgruppe Watzenborn-Steinberg der Heimatvereinigung Schiffenberg, die dort ein Heimatmuseum betreut. Zugleich ist Schäfer sogar verwandtschaftlich verbandelt mit dem Maler des Bildes. Georg Häuser war der Vater seiner Oma Katharine. „Ich war irgendwann im Hüttenberger Heimatmuseum und habe festgestellt, dass das Bild einen engen Bezug zu Watzenborn-Steinberg und zu meinen Vorfahren hat. Deshalb habe ich angefragt, ob es nicht möglich wäre, das Gemälde zu uns nach Pohlheim ins Museum zu holen“, erzählt er.

Nach einigem Hin und Her, aber schließlich mit Zustimmung des Leihgesterner Museumsleiters Dr. Heinz-Lothar Worm und Lindens Bürgermeister Fabian Wedemann, fand nun eher unspektakulär und im kleinen Kreis die Übereignung des Gemäldes aus dem Leihgesterner Bestand in die Obhut des Heimatmuseums in Watzenborn-Steinberg statt. Worm verabschiedete das Gemälde von Georg Häuser allerdings mit einem „weinenden Auge“. Denn nach so vielen Jahrzehnten hingen für ihn auch Emotionen an diesem Kunstwerk. „Aber ja, eigentlich gehört das Bild nach Watzenborn-Steinberg“, räumten er und auch der Bürgermeister ein. „Ich freue mich, dass das Bild wieder zu seinen Wurzeln zurückfindet“, sagte Wedemann. Auch sein Pohlheimer Amtskollege Andreas Ruck dankte für die Überlassung des Bildes, das „mit Sicherheit ein Highlight im Museum“ darstellen werde.

Museumsleiter Worm ließ es sich nicht nehmen, zum Abschied auf einige Details des Gemäldemotivs einzugehen. Etwa auf die Frisur der Watzenborner Trachtenträgerinnen, die sich unterschied von der aus dem Hüttenberger Raum. Normalerweise wurden die Haare zu Zöpfen geflochten und zu einem Knoten, dem sogenannten „Schnatz“, auf dem Kopf zusammengesteckt. Eine schwarze Bandhaube wurde über den Knoten gestülpt, sodass er nicht einsehbar blieb.

Mittelscheitel-Frisur gegen Läuse

Um die Watzenborner Haartracht-Variante ranken sich Erzählungen. Demnach sei einem örtlichen Pfarrer um das Jahr 1897 aufgefallen, dass sich unter der Haube seiner Töchter ungebetene „Mitbewohner“ einnisteten. Um die Gefahr von Kopfläusen zu dämmen, sei Watzenbornerinnen deshalb von der Kanzel herab eine andere Haarfrisur verordnet worden. Mit Mittelscheitel wurden die Zöpfe nun rund um den Kopf gelegt und mit einem Samtband gehalten. So sollte besser erkennbar sein, wenn sich wieder Läuse einzunisten versuchten.

Auffällig sei auch das Erscheinungsbild von Maria Häuser, die nur zwölf Jahre alt wurde. Warum sie so früh starb, darüber spekulierte sogar einmal ein Arzt, der sich das Bild im Hüttenberger Heimatmuseum ansah. „Das Mädchen muss eine schwere Krankheit haben“, vermutete der Endokrinologe beim Betrachten der Augen, des dicken Daumens und der großen Ohren. Er diagnostizierte eine hochgradige Schilddrüsenunterfunktion. „Das Kind muss dringend zum Arzt“, riet er Worm. Der entgegnete: „Dein Rat kommt über 100 Jahre zu spät.“

Neues Domizil im Trachtenzimmer

Am Ölbild nagt der Zahn der Zeit. Dank einer anderen Nachfahrin von Georg Häuser war das Gemälde im Jahr 2003 einer Restaurierung unterzogen worden. Leni Weimer, die Enkelin Häusers, hatte sich seinerzeit mit ihrem Mann Karl finanziell dafür stark gemacht und einen Restaurator aus dem Oberhessischen Museum in Gießen tätig werden lassen. Die mittlerweile 88-jährige Watzenborn-Steinbergerin freute sich daher ganz besonders, an der Überführung des Gemäldes ihrer Vorfahren teilnehmen zu können. Sie brachte das Kunstwerk zusammen mit Dieter Schäfer ins Heimatmuseum in der Ludwigstraße. Dort soll das in einen Goldrahmen eingefasste großformatige Gemälde in den Maßen 100 mal 70 Zentimeter künftig im Trachtenzimmer einen würdigen Platz erhalten und die Ausstellung rund um dieses Thema aufwerten.