Bürgerversammlung zu Mobilität in Pohlheim
Wie ist es um die Mobilität in Pohlheim bestellt? Dieser sehr komplexen Thematik widmete sich eine Bürgerversammlung, zu der die Stadt Pohlheim in die Kulturelle Mitte nach Holzheim eingeladen hatte.
Stadtverordnetenvorsteherin Hiltrud Hofmann (Grüne) konnte unter den 25 Besuchern neben einer Reihe von kommunalpolitisch Engagierten auch Bürgerinnen und Bürger aus den Stadtteilen begrüßen. Inhaltlich ging es um Aspekte wie den öffentlichen Nahverkehr, Radverkehr, Verkehrssicherheit, Tempo 30 und die Nahmobilität.
Jugendliche wollen Busverbindung auch nach Mitternacht
„In vielen Fällen sind unsere Handlungsmöglichkeiten begrenzt“, schränkte Hofmann gleich zu Beginn der Versammlung ein. Dies betreffe beispielsweise Straßen mit überregionaler Bedeutung. Hier sei die Stadt auf die Zustimmung von Dritten angewiesen. Beim öffentlichen Nahverkehr gelte ähnliches, was nicht zuletzt mit der Organisationsstruktur zu tun habe. Die Fraktionen haben in dieser Wahlperiode 15 Anträge zum Themenkomplex Verkehrssicherheit und Nahmobilität gestellt, denen meistens und oftmals einstimmig zugestimmt wurde. Außerdem hatten Jugendliche im Rahmen des Projektes „Jugend entscheidet“ einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, um sich für einen Halbstundentakt von Bussen nach Gießen, Busverbindungen nach Linden und nach Mitternacht zwischen Gießen und Pohlheim einzusetzen.
Generell geht es auch um die bessere Anbindung der drei südlichen Stadtteile an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Hier könnte die Neuplanung der Pohlheimer Buslinie 38 eine Rolle spielen. In diesem Jahr sind für diesen Rundverkehr 220.000 Euro im Haushalt veranschlagt. Hinzu kommen eine Million Euro für den Ausbau von Radwegen und 650.000 Euro für den barrierefreien Ausbau der Bushaltstellen. In letzteren beiden Fällen sei mit Förderungen zu rechnen, so Hofmann.
„Ausdauer und Geduld sind gefragt“
„Mobilität in Pohlheim benötigt sehr viel Ausdauer und Geduld“, meinte Erster Stadtrat Israel Be Josef (SPD), der für den Magistrat in Vertretung des erkrankten Bürgermeisters das Thema beleuchtete. Der Wandel könne nicht in einem Spurt vollzogen werden, es sei eher ein Marathon. Im 21. Jahrhundert gebe es ganz neue Anforderungen, denen man gerecht werden müsse. Nachhaltigkeit im Sinne des Klimas sei im Fokus und keine Randerscheinung mehr. Zudem werde Radfahrern und Fußgängern mehr Aufmerksamkeit gegeben. Der Verkehrsraum in Pohlheim sei sehr eng, und Alternativen müssten gesucht werden.
In Eigeninitiative habe die Stadt zur Verbesserung des ÖPNV-Angebotes beigetragen, sagte Be Josef. Er nannte die Einführung des Anruflinientaxis, an dessen Kosten sich Pohlheim anfänglich beteiligt habe und das inzwischen vollständig vom Landkreis Gießen finanziert werde. Ein weiteres Beispiel sei der Rundverkehr 38, der seit Dezember 2020 betrieben wird und derzeit im Stundentakt verkehre. Die Stadt übernehme hier zu 100 Prozent die Kosten. Die Optimierung des Fahrplans sei ein ständiger Prozess.
Der Radverkehr, so der Erste Stadtrat, sei seit mehr als 20 Jahren im Fokus der Kommune. Die Veränderung sei „ein langer Prozess und noch immer nicht abschlossen“, spielte er auf den fehlenden Lückenschluss zwischen Dorf-Güll und Garbenteich an. Als Erfolge bezeichnete Be Josef die in diesen Jahrzehnten entstandenen sechs Radwegeverbindungen im Stadtgebiet und als Highlight den Limesradweg. Was den innerörtlichen Radverkehr angehe, gehöre Pohlheim zu den fünf Modellkommunen des Landkreises, in denen das Thema vertieft behandelt werden soll. Die Verwaltung sei damit beauftragt, eine Prioritätenliste zu erarbeiten und diese den städtischen Gremien vorzulegen.
Ein Arbeitskreis Nahverkehr begleitet seit 2021 überparteiisch das Thema. Ihm gehören je eine Person jeder Fraktion sowie Vertreter des Magistrats und der Verwaltung an. Simone van Slobbe-Schneider (Grüne) ging ebenfalls auf den Wunsch Jugendlicher ein, Busse von Pohlheim nach Gießen im Halbstundentakt fahren zu lassen. Eine Umsetzung gestaltete sich schwierig, weil die Linien 377, 375 und 372 als Regionalverkehr klassifiziert sind und nicht als Nahverkehr. Dadurch können sie nicht einfach an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden. Als einziger Spielraum verbleibt die Rundbuslinie 38. Bei ihrer künftigen Neuplanung könnte sie möglicherweise als Zubringer zu den RMV-Linien in den nördlichen Stadtteilen fungieren und somit die Taktung für die südlichen Stadtteile erhöhen.
Weitere Tempo-30-Zonen möglich
Für die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Pohlheim gab Ordnungsamtsleiter Carsten Nowak einen Bericht zur Verkehrssicherheit und Geschwindigkeitsbeschränkungen. Demnach sind rund 80 Prozent der Gemeindestraßen in Tempo-30-Zonen integriert. Bei Landes- und Kreisstraßen könne dies angeordnet werden, etwa im Bereich von Schulen und Schulwegen, Kindergärten und Spielplätzen. Aktuell prüfe die Verwaltung Umsetzungsmöglichkeiten. Auch Lärmschutzgründe könnten angeführt werden.
Hinsichtlich des Gehwegparkens rechnet Nowak damit, dass es wegen Mindestbreiten von Gehwegen auch zum Wegfall von Parkplätzen kommen könne. Er appellierte an die Bürgerschaft, vorhandene Höfe und Garagen zum Abstellen von Fahrzeugen zu nutzen und damit den öffentlichen Verkehrsraum zu entlasten. Gefragt seien auch Grundstückseigentümer. Sie könnten durch Rückschnitt von Hecken oder nicht zu vorzeitiges Herausstellen von Sperrmüll oder Mülltonnen einen Beitrag zur Sicherheit von Fußgängern leisten.
Auf den Nahverkehrsplan (NVP) ging der städtische Klimaschutzmanager Jannik Kirch ein. Im NVP ist festgelegt, wie der ÖPNV in den kommenden Jahren in der Region gestaltet werden soll. In Pohlheim sollen alle Stadtteile angebunden bleiben, regelmäßige Busverbindungen haben und die Haltestellen barrierefrei gestaltet werden. Flexible Angebote wie Anruf-Sammeltaxis sind Teil des Konzepts für weniger stark frequentierte Strecken oder Randzeiten. Herausforderungen sind Fahrermangel und knappe Mittel. Die drei südlichen Stadtteile seien laut Kirch derzeit am Wochenende nicht ausreichend angebunden.
Bezüglich des Radverkehrskonzept formulierte Kirch als Ziel ein lückenloses, sicheres und gut ausgeschildertes Radnetz. Dokumentiert seien Maßnahmen wie die Ergänzung fehlender Wegweiser, das Markieren von Schutzstreifen oder Radwegen und die Schaffung von Radabstellanlagen an Schulen und Haltestellen. An Bushaltestellen oder am Bahnhof sollten überdachte und abschließbare Fahrradabstellplätze entstehen. Als noch schwer umsetzbar im ländlichen Raum erweise sich das Carsharing. Die Auslastung sei gering und der Serviceaufwand hoch. In Pohlheim wäre die Verfügbarkeit mit ein oder zwei Fahrzeugen unzuverlässig oder das Angebot müsste hoch subventioniert werden. Ein bürgerschaftlich getragenes Modell oder eine Organisation durch Vereine mit kommunaler Unterstützung seien möglicherweise Alternativen.
In mehreren Fragerunden äußerten sich Besucher zu ihren Wahrnehmungen im Verkehrsraum. Zu den Ärgernissen zählten unter anderem das Zuparken von Gehwegen, E-Scooter-Fahrer auf dem Bürgersteig, unsichere Schulwege sowie gefährliche Überschneidungen von Radwegen und Straßenverkehr. Entsprechende Vorkommnisse wurden notiert und werden von der Stadt Pohlheim im Rahmen ihrer Möglichkeiten geprüft.