„Kunst & Kultur für mehr Zusammenhalt! Lokal – regional – international“, so lautete das Motto, unter dem sich all diejenigen bewerben konnten, die mit ihren Initiativen und kulturellen Angeboten einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Insgesamt 37 Bewerbungen waren beim Landkreis Gießen eingegangen – eine Herausforderung für die Jury: „37 Beiträge von höchster Qualität haben uns die Entscheidung schwergemacht. Wir sind beeindruckt, welch bunte Vielfalt an Kunst- und Kulturangeboten in unserem Landkreis dafür sorgt, dass sowohl in den Städten als auch auf dem Land ,immer was los ist‘. Beeindruckend sind auch die Vielfalt und Tiefe bei den Themen, die über Kunst und Kultur aufgerufen werden. Erneut konnten wir feststellen: Der Landkreis Gießen ist eine Kulturregion“, sagte Landrätin Anita Schneider.

Hauptgewinn geht an das Kooperationsprojekt „Tolle Ranzen“

Junge Menschen, die sich auf der Bühne ausprobieren und intensiv mit wichtigen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen können – diesen Schwerpunkt hatte sich das Kooperationsprojekt der „Jungen Kirche Gießen“ und der Wohnungslosenhilfe „Die Brücke“ des Diakonischen Werks Gießen gesetzt. Drei Aufführungen des Musicals „Tolle Ranzen“ zeigten auf eindrucksvolle Weise, wie Kultur dazu beitragen kann, gesellschaftliche Themen besser zu verstehen. Sämtliche Einnahmen kamen der „Brücke“ zugute, dessen Team den jungen Schauspielenden wichtige Einblicke in das Thema Wohnungslosigkeit verschaffte.

„Ihr Kulturprojekt erfüllt in hohem Maße die Themenstellung des Kulturförderpreises. Sie zeigen, wie Begegnungen mit Menschen stattfinden können, die oft eher am Rande der Gesellschaft stehen. Sie verdeutlichen, dass Toleranz immer wieder neu geübt werden muss. Dabei ist es auch wichtig, zu verstehen und hinter die Kulissen zu schauen. Ihr Musical zeigt in einem besonderen Maße, dass Akzeptanz, Toleranz und auch Neugier maßgebliche Eckpfeiler einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft sind“, lobte Landrätin Schneider die jungen Leute.

Den zweiten Hauptpreis sicherte sich Hakan Avci mit seiner Ausstellungsfläche „RAUM: Lich“. Seit 2022 schafft Avci in der ehemaligen Blumerei Volz in Lich einen offenen Raum für Gemeinschaft. Kunstschaffende und Interessierte kommen zum Austausch, zu gegenseitiger Unterstützung und zum Gestalten gemeinsamer Projekte zusammen. Ziel ist es, ein vielfältiges Angebot von Kunst- und Kulturveranstaltungen zu etablieren, um regionale Verantwortung zu übernehmen und das Gemeinwohl vor Ort zu stärken.

Laudatorin Katharina Traoré vom Freiwilligenzentrum für Stadt und Landkreis Gießen brachte im Rahmen der Preisverleihung ihre Begeisterung für das Projekt zum Ausdruck: „Der ,RAUM‘ bringt Menschen zusammen, die sich für eine Solidargesellschaft einsetzen und mit Kunst und Kultur neue Wege gehen. Das Engagement von Hakan Avci zeigt, dass es sich lohnt, in unsere Mitmenschen zu investieren.“

Über den dritten Hauptpreis durfte sich das Forum „Kopf & Herz“ aus Pohlheim freuen. Die Initiatorin Nidia Ortiz und ihr Ehemann Harald Mantai haben es sich zum Ziel gesetzt, wichtige gesellschaftliche Themen sowohl wissenschaftlich als auch künstlerisch zu beleuchten und dabei stets zu hinterfragen: „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“

Im vergangenen Jahr legte „Kopf & Herz“ mit seiner Ausstellung „Ukraine im Frieden und Krieg“ einen Schwerpunkt auf den drohenden Verlust von Kunst und Kultur in einem durch den Krieg zerrütteten Land. Die Ausstellung zeigte Fotografien der ukrainischen Fotograf:innen Nelli Spirina und Serhii Mylalschul. Begleitet wurde sie durch zahlreiche Veranstaltungen wie Konzerte ukrainischer Musikschaffender und Vorträge zur Situation in der Ukraine.

„Ihre Fotoausstellung schafft es, aktuelle Themen ganzheitlich mit Kopf und Herz anzugehen und zu betrachten. Sie schafft es aber auch, die Ukraine auf zwei unterschiedliche Weisen zu sehen: als Land voller Kultur und kreativer Menschen, aber auch als Land Mitten im Krieg“, lobte Laudator Prof. Ansgar Schnurr das Pohlheimer Ehepaar.

Sonderpreise für Benefizkonzerte, kulturelle Teilhabe und eine diskriminierungsfreie Gesellschaft

Einer der drei Sonderpreise, die mit insgesamt 2000 Euro dotiert sind, ging an die Kulturloge Gießen e.V.. Als Kulturermöglicherin verschafft die Kulturloge Menschen einen Zugang zu kulturellen Angeboten, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine Möglichkeit der kulturellen Teilhabe hätten. Landrätin Anita Schneider bekräftigte: „Sie bauen Barrieren ab und bringen den Menschen eine enorme Wertschätzung entgegen, die sonst keine Chance auf kulturelle Teilhabe hätten.“

Mit partnerschaftlicher Verbundenheit weit über die Grenzen des Landkreises Gießen hinaus beschäftigte sich im vergangenen Jahr ein Benefizkonzert der Gleiberger Sängervereinigung gemeinsam mit Sängerin Nora Schmidt. Unter dem Titel „Mit Liedern Brücken bauen…und eine Schulkantine“ fand im Dezember 2022 ein Konzert für Koupéla in Burkina Faso statt, bei dem insgesamt 3500 Euro an Spendengeldern zusammenkamen. Der Erlös trägt dazu bei, dass rund 1800 Kinder an drei Schulen täglich eine warme Mahlzeit bekommen.

Den dritten Sonderpreis erhielt das Team des CSD Mittelhessen, der im Juni 2022 in Gießen stattfand und von Menschen gefeiert wurde, die sich für eine offene, gerechte und diskriminierungsfreie Gesellschaft einsetzen. Dank engagierter Menschen wurde der Grundgedanke des Christopher Street Day in ländlichere Regionen gebracht. Laudatorin Anette Bergen-Krause bekräftigte, dass der Landkreis bunt und vielfältig sei und alle Menschen, unabhängig ihrer sexuellen Orientierung, in die Mitte der Gesellschaft gehörten.

Landkreis vergibt fünf ideelle Sonderpreise

Über ideelle Sonderpreise durften sich zudem fünf weitere Vereine und Initiativen freuen. Unter ihnen war zum einen die Lebenshilfe Gießen e.V. mit dem Atelier23 und der Galerie23, die Kunstschaffende mit Behinderung begleiten und fördern und so Menschen mit Beeinträchtigungen einen niedrigschwelligen Zugang zur Kunst ermöglichen.

Einen weiteren Preis erhielt die Lebenshilfe mit ihrem Tanzprojekt „MehrBewegen“, das Menschen mit und ohne Behinderung bei einer Verbindung aus Entspannung, Bewegung und Tanz zusammenbringt.

Das Kulturnetzwerk der Gießener Lahntäler und das Veranstaltungsformat „Kultur im Fluss“ erhielten einen ideellen Sonderpreis für ihr vielfältiges Programm in allen Kultursparten.

Berücksichtigt wurden zudem die „Wettenberger Winterkonzerte“, die klassische Musik fern von sozialen und kulturellen Barrieren erlebbar macht, sowie das Papiertheater „Kleine Auszeit“ von Susanne und Stefan Schweig, das Menschen altersübergreifend und unabhängig von ihrer Herkunft anspricht.



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Preisträger und Jurymitglieder des Förderpreises „Kulturregion Landkreis Gießen“ im Innenhof des Dorf- und Kulturladens Eberstadt. (Foto: Landkreis Gießen)



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Mit ihrem Musical „Tolle Ranzen“ hat die „Junge Kirche Gießen“ in Kooperation mit der Wohnungslosenhilfe „Die Brücke“ den ersten Platz abgeräumt. (Foto: Landkreis Gießen)



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Katharina Traoré vom Freiwilligenzentrum für Stadt und Landkreis Gießen überreicht den zweiten Platz an Hakan Avci mit seiner Ausstellungsfläche „RAUM: Lich“. (Foto: Landkreis Gießen)



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Laudator Prof. Ansgar Schnurr (l.) verleiht den dritten Hauptpreis an Nidia Ortiz und Harald Mantai vom Forum „Kopf & Herz“. (Foto: Landkreis Gießen)